Variation

Germain und ich stellten und zehn Schritte voneinander entfernt auf. "Das hier tut mir sehr leid, aber du weißt ja, es muß sein", sagte Germain. "Ich weiß", seufzte ich,"und ich kann dir versichern, es geht mir ebenso." "Dann ist ja gut."

Wir standen eine Weile so da und beobachteten, wie langsam der Nebel um uns aus dem Gras emporstieg.

"Wenn Isabella sich wenigstens für einen von uns entschieden hätte", begann Germain von neuem. "Das Schicksal hätte nicht anders entschieden", beruhigte ich ihn, ohne ihm jedoch sein Unbehagen nehmen zu können. "Dein Bote mit dem Arsen war eine gute Idee. Ich hätte es nehmen sollen", zagte er. "Nein, nein, ich bin sicher, du hast das schon richtig angefangen", versicherte ich ihm.

Wir schwiegen wieder eine Weile, während der Himmel die ersten Blautöne in sich aufsaugte. "Ich hoffe, der Feldmarschall kann dich entbehren", fragte er. "Sicher, ich habe ihm schon einen guten Ersatz vorgeschlagen", entgegnete ich. "Die Grabstelle liegt ganz am Ostende des Zentralfriedhofs", sagte er, "bei den Heldengräbern. Ich habe die Nummer auch deinem Wagenlenker gegeben." "Gut." Germain atmete tief durch: "Dann wird es jetzt wohl Zeit."

Wir luden die Waffen durch. "Du hast doch hoffentlich dein Buch noch zuendegeschrieben", fragte ich ihn noch schnell. "Oh ja, ich habe einen schönen Schluß gefunden: 'Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.' Es wird sicher wieder ein Riesenerfolg." "Und, Germain, bitte ziele auf den Körper", bat ich ihn. "Aber es ist doch Brauch, auf den Kopf zu zielen", wunderte er sich. "Du weißt, was für ein schlechter Schütze du bist", sagte ich. Er atmete sichtbar auf: "Ja, danke für das Angebot." Ich nickte aufmunternd.

"Na, dann los." Wir schossen. Zum Glück waren wir beide schnell tod, obwohl Germain mein Herz verfehlt hatte. Isabella konnte erwartungsgemäß nicht mit uns beerdigt werden, weil die Explosion die halbe Fassade wegriss und man sie nicht mehr aus dem Zimmer tragen konnte. Der Krieg fand dann leider doch statt, sogar ohne uns.

Großburgwedel, 31.08.1994


© 1997 Jan Torben Weinkopf